Lach-Therapie gegen Eurokrise

Halver. Tagtäglich lesen wir von Staatsschulden und Eurokrise, gebetsmühlenartig tauchen die Begriffe in den Nachrichtensendungen auf. Was tun die Bürger dagegen? Sie lachen. Jedenfalls wenn der Kabarettist Arnulf Rating die Analyse liefert, messerscharf und schonungslos.

Der Deutsche Michel hat bereits den Kopf in der Schraubzwinge, wie das Bühnenbild zeigte. Etwa 280 Zuschauer erlebten Samstagabend im AFG einen Satire-Abend der Extraklasse. Beim neuen Programm „Stresstest Deutschland“ übernahm Rating gleich fünf verschiedene Rollen. Ein Stilmittel, das ihm erlaubte, Kritik in therapeutischer Dosierung zu äußern. Die Themenfelder dazu sind reich gesät. Allen voran Banken und Politik. Doch mit dem Wechselspiel seiner Figuren zeigte Rating, der seit mehr als 30 Jahren dem Publikum den Spiegel vorhält, wie leicht manipulierbar der Einzelne ist. Hauptsache das Geld stimmt.

Kein Blatt vor den Mund nahm die resolute Schwester Hedwig, die beabsichtigte, das Publikum einem Medizintest zu unterziehen. Prüfend ließ sie den Blick durch den Saal schweifen und meinte dann: „In Halver können wir das Radfahren weglassen. Weil, dat Sie hier aufe Stelle treten, sieht man ja.“ Eine Beobachtung, für die sie viel Beifall erntete.

Er sah schon ein bisschen gespenstisch aus, der Dr. Mabuse mit gebückter Körperhaltung und dem hämischen Lachen. Ihm unterlief garantiert schon so mancher Fehler. Bedenklich stimmte ihn das nicht. „60.000 Medikamente, das kann ja keiner wissen, wie die wirken. Deshalb heißt es ja verschreiben“, meinte er lapidar. Ihm hüpfe das Herz, wenn er in Prospekte von Discountern schaue, in denen Hähnchenstreifen für 1,19 Euro angepriesen würden“, outete er sich. „Da weiß ich doch, da ist wieder die ein oder andere Salmonelle für mich dabei“, setzte er hinzu. Laufen für die Gesundheit lohne sich nicht. „Rechne doch mal nach, 200 Euro für den Trainingsanzug, 150 für die Schuhe, nur um mich um meine 10 Euro zu bringen.“ Trotzig setzte er hinzu: „Lauf doch mit deinen 20 Kilo Übergewicht, ich weiß doch, du kommst bald mit kaputter Hüfte. Die Bertelsmann-Stiftung habe das Team auf den Weg geschickt, sagte der Arzt. Bertelsmann, ein Medienimperium, das auf vielfältige Weise zur Meinungsbildung beitrage. Liz Mohn sei eine Freundin von Angela Merkel, informierte der Kabarettist. Vor der Vereidigung als Politiker habe Rösler sich dem Stresstest unterzogen, so Mabuse. Und rezitierte die Vereidigungsformel: „Ich schwöre, am deutschen Volk zu verdienen, so bar mir Gott helfe.“ Dem ehemaligen Minister Rudolf Scharping attestierte er „einen IQ wie Knäckebrot.“

Dem ein oder anderen Politiker galt Ratings Mitgefühl. Etwa Gerhard Schröder, der ein Dasein als Gasableser friste. Subventionen zunächst im Bergbau, später in der Autoindustrie, bestimmten den beruflichen Weg von Koslowski, dem Fahrer des Stresstest-Teams, zum Vergnügen des Publikums. „Wer hätte gedacht, dat mal in Stuttgart eine Revolution losgeht und dann wegen eines Bahnhofs?“, fragte der „Deutschland 21“-Aktivist die Zuschauer.

Aberwitzige Headlines der „Bild“ sorgten für viel Applaus des Publikums. Wer erinnert sich heute noch an EHEC-Keime? Sie führte Rating zu der Frage: „Was ist das für eine Welt, wo ein Veganer durch ein Salatgericht zum Selbstmordattentäter wird?“ Rente mit 67, kein Problem, meinte Rating und führte das Beispiel Papst Benedikt an. „Man kann auch im zarten Alter von 78 noch ´nen Job kriegen“, informierte er, schränkte allerdings ein: „Gut, im Ausland.“ In der „Bravo“ erschien gar ein Plakat mit seinem Konterfei mit der Unterschrift „Bene“. Ratings Kommentar dazu: „Der Papst als Popstar. Das hat man lange in anderem Zusammenhang gesehen.“

Ursula Dettlaff

© DerWesten, 16.10.2011