Schwester Hedwigs Härtefälle

Patient „Deutschland“ ist nicht mehr zu retten — aber manchmal zum Schreien komisch, bewies Arnulf Rating im Kulturcafé.

„Hilfe!, was ist das?“ mag der gemeine Kabarett-Besucher denken, wenn er die Werbung zu Arnulf Ratings aktuellem Programm „Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle“ sieht. Darauf ist der 56-Jährige in Krankenschwesterkleidung inklusive langer roter Zöpfe unter der weißen Haube zu sehen. Der Mann im Frauenkostüm erinnert irgendwie an die Figur von Komödiant Hans Werner Olm, Luise Koschinsky, die eher platt und mit Haudrauf-Humor daherkommt. Aber Gott sei Dank, Schwester Hedwig hat mehr Niveau! Davon konnten sich gestern auch die Besucher der Leichlinger Kleinkunstreihe „Kulturcafé“ im Café Strieker überzeugen. Die resolute Helferin von Dr. Marbuse hat schon viele Patienten kommen und gehen sehen.

Krötenschutzbeauftragter

Darunter den Krötenschutzbeauftragten der Grünen, der meint, dass — nach dem Vorbild von Zigarettenpackungen — auf deutschen Panzern der Hinweis „Schießen tötet“ zu stehen hat und auf Gewehrpatronen Pfand gehört. Oder den Bundeswehr-Vertreter in Militärkleidung, der schusssichere Windeln für eine gute Idee hält, damit auch die Alten das Vaterland noch verteidigen können. Oder auch Kardinal Meise, der seine Ansprache mit den Worten „Liebe entartete Gläubige“ beginnt und dann erklärt, dass 72 Jungfrauen nicht nur im Paradies von Selbstmord-Attentätern, sondern schon zu Lebzeiten im Kloster zu finden sind. Ebenjene Härtefälle hat Schwester Hedwig noch einmal zu einer Sondersitzung in die Praxis bestellt.Der amüsanteste Patient ist jedoch Rating selbst, der — scharfzüngig, wortgewandt und originell — Politiker, Sportler, die Kirche, den Papst, Dieter Bohlen und Tokio Hotel auf die Schippe nimmt. Er fordert: „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel“, nachdem er festgestellt hat, dass die politische Standort-Bestimmung der Parteien inzwischen der Hütchenspielerei gleicht, dass Hessens Ministerpräsident Roland Koch mit der Forderung nach härterem Jugendstrafrecht nur über seine eigene Alterskriminalität hinwegtäuschen will und dass die deutsche Wirtschaft wortwörtlich wie geschmiert läuft.

So schnell und reichhaltig ist das Programm des mit namhaften Kabarettpreisen überhäuften Künstlers, dass man es eigentlich mehrere Male sehen muss, um alle Spitzen, Hiebe und Wortspiele mitzubekommen. Das Leichlinger Publikum jedenfalls gefiel die Show, reagierte mit herzhaftem Lachen, zustimmendem Nicken und lautem Beifall auf Arnulf Rating.

Maria Wadenpohl

© Kölner Stadt-Anzeiger, 18.01.2008