Arnulf Ratings Kabarettprogramm im St.-Pauli-Theater

Wissen, wo es wehtut

Hamburg – Ob Doping, Siemens, Gesundheitsreform oder Globalisierung - für Arnulf Rating sind solche Stichworte Steilvorlagen für sein neues Kabarettprogramm "Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle". In die Rolle der vollbusigen, Pippi-Langstrumpf-bezopften Krankenschwester, die allein schon durch den täglichen Umgang mit ihren Patienten weiß, wo es besonders wehtut, ist der wortgewandte und improvisierfreudige Kabarettist ja schon öfter geschlüpft. Aber so klamaukig Hedwig auch ausschaut, ihre Diagnosen über den Patienten Deutschland und seine zuweilen angeschlagenen Vertreter halten brillante, etwas unorthodoxe Rezepte zur Heilung bereit.

Auch in seinem neuen Programm, mit dem der ehemalige Politclown und Mitbegründer der "3 Tornados" sein 30. Bühnenjubiläum feiert, gehört Hedwig neben BKA-Beamten, Bischöfen und anderen Aktentaschen tragenden Zeitgenossen zum Bühnenpersonal, das gnadenlos und geschwind die Absurditäten unserer Zeit kommentiert.

Rating macht sich thematisch über die Schlagzeilen der Tageszeitungen her, um daraus Lächerliches, Lästiges und Lustiges zu destillieren und ätzende, zielgenaue Pointen zu landen. "Die Bahn" - alles, was es dazu zu sagen gibt, ist ein absoluter Brüller. Ebenso "die Regierung". Aber Rating will nicht nur kritisieren, Vorschläge zur Verbesserung hat er auch: "Warum nicht mal Hartz-IV-Empfänger zur Terror-Abwehr auf Bahnhöfen einsetzen? Die wissen am besten, wie es ist, wenn der Zug abgefahren ist."

Die Überalterung der Gesellschaft, islamistischer Terror, so zeitnah aufgespießte Namen wie Bischof Mixa, Eva Herman, Ronald Pofalla oder Dieter Bohlen - kaum genannt, schon gelacht. Ratings intelligenter Witz, seine sarkastischen Pointen lassen nichts aus. Eigentlich wollte Rating zu seinem Jubiläum ein "Best of"-Programm präsentieren. Allein - die Verhältnisse, sie sind nicht so. Es gibt einfach zu viel Neues im Polittheater, über das sich glänzend ätzen lässt. Jüngste Späße dienen den Themen "Frauen an der Macht" (ob Schwester Hedwig dazuzählt?) und "Die Verostung des Westens". Hört sich an, als könnte es ein Dauerbrenner werden.

Armgard Seegers

© Hamburger Abendblatt, 16.11.2007