„Die Leute sehen ganz schön alt aus“

Arnold Ratings Programm „Reich ins Heim“ begeistert das Publikum im „Flörsheimer Keller“

FLÖRSHEIM   "Die Leute sollen oben mit erweitertem Bewusstsein und unten mit nasser Hose aus der Show gehen", beschreibt der "Hochgeschwindigkeitskabarettist" Arnulf Rating seine Philosophie. In seinem mittlerweile siebten Soloprogramm, "Reich ins Heim", bot er am Freitagabend vor 80 Zuhörern im "Flörsheimer Keller" viel Witz mit tiefer Bedeutung: "Ich packe die Zuschauer an ihrem politischen Bewusstsein", hatte sich der 44-Jährige aus Mühlheim an der Ruhr vorgenommen.

Dieser Mann mit der glänzenden Glatze feuert zielgenau seine Ladung geballter Gnadenlosigkeiten. Beispiel: "Die Deutschen werden alt und neigen auch politisch schon mal zur Inkontinenz. Gelegentlich wirkt es, als seien sie nicht ganz dicht." Rating philosophiert, wie man in diesem Land am besten alt werde, sucht Hoffnungsträger und offene Pflegestellen. Er fragt nach dem "Wunder jeder neuen Regierung", die es immer wieder schaffe, dass "die Armen ärmer und die Reichen reicher werden." Die Schonfrist von 100 Tagen für Merkel - nur wegen ihres Frauseins und nicht wegen ihrer Qualitäten als Kanzlerin - erklärte er für beendet. Rating zog über die Bundeswehr her, die gegen tote Schwäne eingesetzt wurde: "Unsere Typen waren schon in Afghanistan erfolgreich gegen schräge Vögel". Bei ihrem Einsatz während der Fußball-WM sollten die Soldaten T-Shirts mit dem Aufdruck "Verstehen Sie Spaß" - mit SS - tragen, wegen der neuen Rechtschreibung.

Und auch die Flörsheimer bekamen ihr Fett weg. Flörsheim sei eines der liebenswertesten Orte - im Gegensatz zu Rüsselsheim, spielte Rating gekonnt den Lokalpatriotismus aus. Es habe so etwas "Ruhiges": "Die Leute sehen hier ganz schön alt aus, da fühle ich mich gleich jünger!"

Polemisch und böse, aber nie zynisch fielen seine Analysen aus. Ein satirisches Feuerwerk. Das Publikum dankte es ihm mit donnerndem Applaus und forderten zu später Stunde noch drei Zugaben. "Eine Ehre für Flörsheim, dass dieser tolle Schauspieler hier vor so kleinem Rahmen auftritt", befand eine begeisterte Besucherin, die sich köstlich amüsiert hat, "auch weil kein Joke unter die Gürtellinie ging."

Sein halbes Leben ist Rating beruflich damit befasst, Menschen zum Lachen zu bringen. Mit dem Anarcho-Kabarett "Die drei Tornados" tingelte er 13 Jahre durch die Alternativtheater. Dario Fos politisches Theater ist sein Vorbild.

Hildegund Klockner

© MAIN-SPITZE, 10.04.2006