Verwandtschaft der Schweinehunde

»Knapp daneben« voll getroffen: Arnulf Rating in der Lach & Schieß

Ein Verkehrsexperte der ganz besonderen Fahrweise: Der Berliner Kabarettist Arnulf Rating überfliegt Umgehungsstraßen, ignoriert jeden Kreisverkehr, genießt Geschwindigkeitsüberschreitungen als barockes Überlebenselexier – und landet, den Steuerknüppel auf »Knapp daneben« fixiert, mitten im Zentrum unserer politischen Befindlichkeit.

Ein Ort, der sich auch so beschreiben lässt: »Der Trog bleibt der gleiche, nur die Schweine wechseln.« Rating bietet sich, ja biedert sich abgründig feixend als Meinungsträger von schillernder Couleur an (Regie: Ulrich Waller). Pfeilgrad, mit Curare in der Spitze, zielt er auf unsere Gesellschaft, die nur eine Wahl zulässt (nämlich die »zwischen Kummer und Elend«), und auf die Wahlveranstalter, die ihrerseits nur zwei Angebote offerieren. Entweder du reihst dich ein bei den »Jägern des Glücks oder den Sammlern des Elends«.

Ist es da ein Wunder, dass dieser hochkomödiantische Polit-Conférencier Tage hat, an denen er vor seinem eigenen Spiegelbild erschrickt und entscheidet: »Dich rasiere ich nicht.« Da geht er doch lieber in sich und trifft seinen inneren Schweinehund und dessen Verwandtschaft, hält seine sarkastische Prediger-Performance im Sinne von »Sorge dich nicht! Lebe!«, zelebriert seine so böse wie anrührende 70er-Jahre-Revival-Party und schwört auf den Otto-Katalog; denn, wenn schon verkaufen, dann aber professionell und zwar mit Geldrückgabe-Garantie, falls den Zahlungswilligen das angepriesene Produkt doch nicht gefällt. Ottokratie statt Parteiendemokratie. »Knapp daneben« ist ein gestreckter Galopp durch die Schieflage der Nation, mit einem Reiter, der sich mit anarchischem Witz und analytischer Gedankenakrobatik souverän im Sattel hält.

Sigrid Hardt

© AZ München, 24.10.2002