Bei Rating war "alles prima"

Ex-Tornado mit beißendem Spott im Keller Kunst Keller / Rasantes Tempo

INGELHEIM Im Nadelstreifenanzug und in der Manier eines Kai Pflaume betrat Arnulf Rating die Bühne mit der grundsätzlichen Frage an das Publikum: "Was machen wir heute Abend – Spaß oder politisches Kabarett?" Das Publikum entschied sich für politisches Kabarett. "Ja finden Sie das etwa witzig?", war seine Reaktion und schon ging das Gedanken- und Gag-Gewitter nieder.

Rating ergriff und vertiefte die aktuellen Probleme der Politik, die Deutschland bewegen, wie Abschaffung des "Tags der deutschen Einheit", die Reformpakete, die Mautgebühr, die Alterspyramide und natürlich die Ich-AG. Dies geschah in einem so rasanten Sprechtempo ohne Punkt und Komma, dass das Publikum aufpassen musste, die vielen Wortspielereien, Kalauer und Wortverdreher nicht zu verpassen. Man konnte es fast Hochgeschwindigkeitskabarett nennen. Der "Ex-Tornado" hat nichts von seinem beißenden Spott verloren.

"Wo geht’s zum Aufschwung Ost? – Da lang, immer den Bach runter!" So nahm der ehemalige Ruhrpottler und heutige Berliner die teure Wiedervereinigung aufs Korn, bei der man nur "blühende Landschaften" gesehen habe, aber nicht, "was uns da blüht".

Um Politik finanzierbar zu machen, schlug er vor, anstelle einer Vermögenssteuer eine Unvermögenssteuer für Politiker einzuführen, genannt Schwafelsteuer. Diese wäre natürlich gestaffelt, je nach Schwafelgehalt, was Müntefering eine 90-prozentige Besteuerung einbrächte, Stoiber eine "Äh-Zulage" und eine zusätzliche Stotter-Stolper-Steuer kostete.

Alles was "Autokanzler" Schröder heute mache, sei Marketing, meinte Rating, der statt der Riester-Rente lieber Riesters Rente haben wollte. Agenda 2010, Hartz und Rürup würden angepriesen wie Automarken mit Sonderausstattung.

Sehr intensiv beschäftigt sich Rating mit der Ich-AG, führte deren persönlichkeitsspaltendes Potential vor Augen, wenn er sowohl Chef, Betriebsrat und den Arbeitenden pointierte: "Ein Chef wie ich würde einen Angestellten wie mich sofort entlassen – ich weiß doch, wie ich arbeite." Dem Publikum erklärte er dann, dass er mit seiner Ich-AG an die Börse gehe und zwar an die Börse der Zuschauer; schließlich hätten sie Anteilscheine in Form von Eintrittskarten erworben und den Gewinn in Form von Lachen ausgeschüttet bekommen. Da die Gewinnausschüttung nicht zu kurz kam und reichlich Anteilseigner vorhanden waren, dürfte sich dieser Börsengang gelohnt haben. Somit ist ja "alles prima".

Agnes von Trentini

© Allgemeine Zeitung, 10.11.2004