Unvermögenssteuer

Arnulf Rating in der Lach & Schieß

Jammern über Deutschland ist leicht, auch auf der Kleinkunstbühne. Doch Arnulf Rating hat den Optimismus, den Mut zur Eigeninitiative noch nicht verloren. Und so präsentiert er sich in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft als "Ich AG", als Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Person. Und auch wenn die Betriebsprüfung nichts Gutes verheißt, seine Stimmung - und die des Publikums - vermag das nicht zu trüben. "Alles prima" also.

Natürlich ist dieser Titel blanker Zynismus, aber Rating kriegt die (Wachstums-)Kurve, indem er das Elend einfach wegwiehern lässt. Die künstliche Persönlichkeitsspaltung ist eine schöne Idee, denn sie erlaubt, die Sprache der Ökonomie auf den Menschen "aus Fleisch und Blut" zu beziehen. Und man darf über das Gutachten der fiktiven Beraterin, die Instandhaltungskosten überstiegen den Zeitwert Ratings, herzlich lachen.

Doch die Kunst des Ex-"Tornados", der noch immer einen veritablen Sturm entfacht, erschöpft sich nicht in der Rolle des Einmannbetriebs im permanenten Arbeitskampf gegen sich selbst. Unerschrocken geht er zum Frontalangriff auf die Verhältnisse in der BRD über und spart nicht mit konkreten Forderungen, zum Beispiel nach Einführung einer "Unvermögenssteuer" für Kanzler, Minister und Parteiführer. In Ratings fröhlichem Lamento ist alles irgendwie zum Anfassen, die "Reformpakete" liegen buchstäblich auf dem Tisch, die immer gleichen Schlagworte der politischen Auseinandersetzung werden in eine leicht verständliche Sprache übersetzt. Kurz und bündig: "Wir sind zu alt, zu krank und wir wissen nicht, was wir tun sollen".

Manches ist nicht mehr ganz aktuell, manches Wortspiel ("Schläfrig-Holstein") schön schrecklich, doch dafür versöhnt der Kabarettist - Perücke auf, fertig - mit Exkursen der besonderen Art. Einer der schönsten ist der über das Freizeitprogramm der fidelen Rentner von morgen - mit einer "Langen Nacht der Akupunktur" und "Amnesietagen im Holocaustcenter". Nach diesem Abend muss einem um die Zukunft des Landes nicht (mehr) bange sein.

Rudolf Ogiermann

© Münchner Merkur, 06.10.2004