Das Ende der Überraschungseier

 

Warum Mutters Gebärmutti bald ausgedient hat

 

Prima! Unser Erbgut ist entschlüsselt! Das wurde Zeit. Bald wird es möglich sein, schon vor der Geburt - sagen wir mal - krebserzeugende Gene aus- und statt dessen astrein gute Gene einzubauen. In naher Zukunft wird man die wahrscheinlich schon aus dem Ottokatalog auswählen können.

Das heißt: Eltern, die für ihre Kinder das Beste wollen, können dann wirklich etwas dafür tun! Vorbei die Zeiten, als Muttis Gebärmutter die reinste Wundertüte war. Und Nachwuchs hervorbrachte, der sich sogar Kampfhunde züchten musste, um seine genetischen Defizite auszugleichen.

Wirklich - so, wie es bisher mit dem Kinderkriegen ging, das war nix! In einer Zeit, wo jeder Apfel einer 16-seitigen EU-Norm genügen muss und wo ich zum Führen eines Mopeds einen Führerschein brauche, da dürfen zwei Menschen heute immer noch ohne Qualifikationsnachweis einfach so zusammenkommen und ungechecktes Erbmaterial zu - wie man nun wirklich täglich auf der Strasse und im parlamentarischen Untersuchungsausschuss sehen kann - teilweise gewagten Kombinationen zusammenführen.

Ehrlich gesagt: was da heute gemeinhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit und teilweise perversen Umständen in irgendwelchen Hobbyräumen zusammengebumst wird - welche Krankenkasse kann denn dafür noch die Verantwortung übernehmen? Das wird künftig anders! Die Zeit des selbstgemachten Babys nach Hausmacherart ist eindeutig vorbei!

Jeder Zukurzgekommene kann wohl bald seine Erzeuger verklagen. Wegen gentechnisch unterlassener Hilfeleistung. Und überhaupt - soll es einem wirklich egal sein, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, ob blond oder braun, dick oder doof?
Okay - man muss es ja nicht so haben, daß es zum Teppichboden paßt. Das würde auch ganz schnell eine Kostenfrage. Aber wer will

 

denn andererseits ein deutsches Durchschnittskind mit Fußballerbeinen, Bratkartoffelgesicht und dem IQ von Speisequark?

Ganz ohne Einsatz geht es vermutlich in Zukunft auch gar nicht: Wenn alle ihre Kinder gentechnisch fördern, kann man nicht untätig bleiben.
Da wird beim ersten Kinderwunsch der Arzt aufgesucht. Der nimmt den genetischen Fingerabdruck von beiden Partnern und sagt mit bedenklicher Mine, er will sehen was er tun kann. Dann weißt du schon: das wird nicht billig. Was da rauskommt, meint er, hat ohne gentechnisches Tuning in zwanzig Jahren auf dem Arbeitsmarkt keine Chance.
Klar wird das teuer. Aber so ist es überall. Was nichts kostet, ist auch nichts. Der Doktor sagt dir, es wäre Blödsinn: alle möchten ein tolles Kind, doch sie wollen dafür nicht mal soviel zahlen wie für einen Kühlschrank!

Und dann schlägt er den Katalog auf. Da gibt es zum Beispiel das Modell "Claudia". Mutter Schiffer hat es sich patentieren lassen. Weil es nicht mehr so gefragt ist, bekommt man es im Herbstkatalog 30% billiger! Aber du weißt nicht, ob es jemals schreiben und lesen kann. In der Standardaustattung. Also musst du ein paar Extras draufpacken: Du kannst es auch mit einer größeren Festplatte haben. Was das wieder kostet!

Ja Gott, dann nimmst du es einfach mit einer geringeren Lebenserwartung. 55 Jahre. Dann kriegst du es auch mit 'ner 330er Festplatte zum Standardpreis. Und du sparst noch die Beiträge für die Rentenversicherung! das ist sogar fremdsprachenfähig! Du bekommst es in männlich, weiblich und als Tunte. Für gute 498.000 Euro! So viel kannst du nicht anlegen? das ist zu kurz gedacht. Erstens kannst du es in Raten bezahlen und zweitens kommst du damit in eine bessere Versicherungsklasse. In zehn Jahren hast du das Geld wieder raus!

 
meier, August 2000 
 

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